Halle, Ev. Hochschule für Kirchenmusik

NeubauHalle, Ev. Hochschule für Kirchenmusik

Erbaut 2019, Hermann Eule Orgelbau - opus 699, III + P/29 (davon 4 Extensionen) + 7 Transmissionen

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Prospektblatt Eule-Orgel in Halle

 

Von der Idee zum fertigen Werk

Wir spürten in Halle, was vor genau 200 Jahren ein Gutachter im thüringischen Allendorf schrieb: „dass jetzt ein gewaltiger Orgelgeist in allen Gemeinden herrscht“. Ziel war eine moderne Orgel hauptsächlich für den Unterricht, die für Musik vieler Landschaften und Stilepochen gut geeignet sein sollte – universal im besten Sinne des Wortes, aber nicht beliebig

Den Entwurf für den Prospekt entwarf der bekannte Architekt und Orgelfreund Dr. Klaus-Jürgen Schöler, der bereits etliche Eule-Orgeln gestaltet hat. Inspiration war die Aula mit ihrer markant schräg verlaufenden Fensterwand: Dr. Schöler griff dieses Element auf und richtete alle Lisenen im Prospekt parallel zur Fensterseite aus. Nicht nur das – auch der Spieltisch bis hin zur Orgelbank folgt dieser Ausrichtung.

Ambitioniert war indes die räumliche Unterbringung der umfangreichen technischen Anlage innerhalb des verfügbaren Platzes. Nur 90 m² misst die Aula mit einem Raumvolumen von 305 m³ – nicht weniger als 13,5 m² bzw. 48 m³ nimmt davon die Orgel ein. Das klingt viel – aber für eine ausgewachsene dreimanualige Konzertorgel mit 29 Registern, fast 1600 Pfeifen, mechanischen und elektrischen Trakturen, Windladen, Balganlage, Schwellkasten und nicht zuletzt Stimmgängen ist es extrem wenig. Doch unser Konstrukteur fand eine Lösung für die technische Innenanlage mit mechanischen Trakturen für alle 4 Teilwerke, die überzeugen konnte.

Ausgangspunkt für die Klanggestaltung war eine stilistisch vielseitige Disposition mit interessanten Ideen, die die Orgelkommission der Hochschule ausgearbeitet hatte. Wir brachten Erfahrungen und Lösungen aus unserer Werkstattstilistik ein, die zugleich Technik und Raumausnutzung optimierten. Um trotz des begrenzten Raumes zusätzliche musikalische Wünsche zu erfüllen, wandten wir zwei technische Systeme an: Zum Einen wurden aus den beiden Pedalregistern Subbass 16′ und Principalbass 8‘ durch eine oktavversetzte Anspielung (Extension) eine Bassflöte 8′ und ein Choralbass 4′ gewonnen – mechanisch. Zum Anderen stellten wir die 2 wichtigen 16′-Register Bourdon und Tromba auf Einzelladen mit elektrischer Anspielung und erweiterten den Tonumfang. So konnten 2 Extensionen und 7 Transmissionen gebildet werden, wodurch die beiden Register nicht nur in der 8′- und 4′-Lage, sondern auch von verschiedenen Klaviaturen angespielt werden können. Sie bereichern erheblich die Dynamik und den Farbenreichtum der Orgel.

Nach einer Präsentation der Orgelkonzepte aller angefragten Orgelbauwerkstätten am 12.6.2017 und der Aufnahme verschiedener Ideen und Wünsche in unser Konzept entschied sich die Orgelkommission bereits 4 Wochen später für unsere Werkstatt. Schon wenig später, bereits am 27.9.2017, wurde der Vertrag abgeschlossen.

Mit Amtsantritt des neuen Rektors, Prof. Peter Kopp, folgte 2018 die Feinplanungsphase mit gemeinsamen Besprechungen in Halle und Bautzen. Ideen für eine Renovierung der Aula flossen ein und änderten das Farbkonzept des Gehäuses (es bezog sich ursprünglich auf die blaue Rückwand der Aula). Einige Optionen bereicherten die technische Ausstattung, der Orgelaufbau erhielt eine nochmals optimierte Innenanlage, die Spieltischdetails wurden abgestimmt.

Im Herbst 2018 wurden die Detailkonstruktion und die Mensuren ausgearbeitet. Ab Anfang 2019 baute das gesamte Orgelbauerteam in der Werkstatt an den verschiedenen Orgelteilen. Dann folgte die Vormontage in unserem Werkstattsaal, der fast die gleiche Größe und Akustik hat wie die Aula in Halle. Es bot sich daher an, die Orgel nicht nur technisch in der Werkstatt aufzubauen, sondern auch klanglich zu etwa 2/3 – erstmals seit 1992. In Werkstattkonzerten am 28. und 29.6.2019 wurde die Orgel der Öffentlichkeit vorgestellt und den Studenten der Hallenser Kirchenmusikschule die Gelegenheit zum ersten Spiel gegeben.

Unmittelbar danach wurde die Orgel abgebaut, verpackt und traf am 8.7.2019 in Halle ein. Ein erfahrenes Montageteam baute in den folgenden Wochen die Orgel technisch auf.

Danach folgte die letzte, aber wichtigste Arbeitsphase: die Intonation. Obwohl alle Pfeifen bereits einen vorläufigen Klang erhalten hatten, ist die klangliche Anpassung an den Aufstellungsraum der entscheidende Schritt für einen künstlerisch inspirierenden, schönen Klang. Johannes Adler und Uwe Großer führten diese Arbeit aus. Erst durch die Intonation erhält die Orgel ihre individuelle Klangaussage – ihre klingende Seele.

 

Eule-Orgel Halle HSfKiMu

 

I. Manual (C-c′′′′)

Bourdon 16′ *
Principal 8′
Flauto amabile 8′
Liebl. Gedackt 8′ *
Octave 4′
Superoctave 2′
Mixtur 2-3fach 1 1/3′
Tromba 8′

 

II. Manual (C-c′′′′)

Rohrflöte 8′
Quintadena 8′
Blockflöte 4′
Nasat 2 2/3′
Waldflöte 2′
Terz 1 3/5′
Larigot 1 1/3′
– Tremulant  

 

III. Manual-SW (C-c′′′′)

Bourdon 16′
Geigenprincipal 8′
Flauto traverso 8′
Viola d’amour 8′
Vox coelestis 8′ c°
Liebl. Gedackt 8′ Ext.
Fugara 4′
Flauto dolce 4′
Violine 2′
Cor anglais 16′
Oboe 8′
– Tremulant  

 

Pedal (C-f)

Subbaß 16′
Bourdon 16′ *
Principalbaß 8′
Baßflöte 8′ Ext.
Gedacktbaß 8′ *
Choralbaß 4′ Ext.
Flötenbass 4′ *
Trombone 16′ Ext.
Tromba 8′ **
Corno 4′ **

 

* Transmission aus Bourdon 16′ mit Extension 8′

** Transmission aus Tromba 8′ mit Extension 16′

 

Koppeln:

II – I, III – I, III – II, I – Ped, II – Ped, III – Ped, Super III (Normalkoppeln doppelt als Züge und Tritte ausgeführt)

 

Spielhilfen:

  • Tremulanten für II und III, am Spieltisch einstellbar
  • Schwelltritt für III, elektrische Steuerung mit Richtungsumschaltung
  • Registercrescendo mit Walze (mit 4 einstellbaren Programmen), „Walze an“ wechselwirkend als Tritt und Zug
  • Setzeranlage System Eule, Hauptbedienfeld über Touchdisplay im rechten Schubkasten, Drucktaster unter dem I. Manual, Sequenzertaster (vor und zurück) doppelt im Pedal und an beiden Seiten für Registranten, Speicherzahl unbegrenzt
  • Digitalanzeigen im Zentrum des Spieltisches für Walze, Setzerkombination und Schweller

Spieltechnische Ausstattung:

  • 6 Normalkoppeln (wechselwirkend als Registerzüge und Tritte, alle mechanisch)
  • Superkoppel III-III (als Registerzug, mechanisch)
  • Setzeranlage mit den üblichen Drückern und Tritten sowie Bedien-Tablet, unbegrenzte Speicherzahl
  • Schwelltritt III (mit Spreizung im Pianobereich, Richtungsumschalter und Handregler)
  • Walze; Walze an (Tritt)
  • Digitalanzeigen für Setzer, Walze und Schweller
  • a′ = 441 Hz bei 21° C, gleichschwebend

Technische Daten:

  • Schleiflade mit mechanischer Traktur
  • Alle Koppeln mechanisch, Pedalextensionen mechanisch, Register Nr. 6/29 und 14/19 elektrisch angesteuert
  • Elektrische Registertraktur mit Setzeranlage
  • Spieltisch mit 46 gedrechselte Manubrien, höhenverstellbare Orgelbank mit schrägen Wangen
  • Hauptbalg mit Ventus-Gebläse (Langsamläufer)
  • Winddrücke: Hauptwerk & Positiv 58 mm WS, Schwellwerk 63 mm WS, Pedal 65 mm WS, Tromba-Reihe 65 mmWS
  • 579 Pfeifen (davon 45 Pfeifen im Prospekt)
  • Stimmton 442Hz bei 22°C (gleichschwebend)
  • Gesamtgewicht: etwa 6 Tonnen

 

Halle, Ev. Hochschule für Kirchenmusik

 

Der moderne, bewegte Prospekt enthält in 10 Pfeifenfeldern 45 Pfeifen. Sie sind alle klingend: Principal 8′ C-a°, Octave 4′ C-Ds (linke Hälfte) und Principalbass 8′ C-fis° (rechts). Die Prospektpfeifen wurden doppelt abgezogen und poliert und erhalten dadurch den angenehmen Glanz. Die Holzteile des Gehäuses sind aus Nadelholz mit einer anthrazittönigen Farbfassung.

Der Spielschrank ist wie bei klassischen Orgeln in den Prospekt eingebaut. Mit einer Besonderheit: er ist in Halle auf die linke Seite gerückt. Hier erhalten die Spieler nicht nur mehr natürliches Tageslicht, sondern die Trakturverbindungen zum I. und II. Manual lassen sich von hier besonders direkt und kurz führen. Die etwas herausgerückte Sitzposition des Organisten lässt zu, dass Orgellehrer neben den Spielenden stehen können. Ermöglicht wird das durch zweiarmige Tastenhebel, die zugleich die beste Weiterführung der Trakturen in der begrenzten Raumhöhe erlauben. Die Traktur erhält dadurch eine direkte, sensible und anschlagsfreudige Spielweise. Sie verzichtet dennoch nicht auf moderne Technik zur Klimastabilisierung und ist selbstspannend eingerichtet.

Das Design des Spielschranks mit den waagerechten Registerstaffeln mit gedrechselten Registerknöpfen folgt der ergonomisch günstigen Gestaltung großer süddeutscher spätbarocker Orgeln, die im 19. Jahrhundert im berühmten französisch-symphonischen Orgelbau (C.-Coll) beispielhaft vervollkommnet wurde. Das Design ist dennoch modern und zeigt, dass es eine neue Orgel des 21. Jahrhunderts ist – mitsamt Elektronik zur Erweiterung des Spielkomforts.

Die Spieltrakturen aller 4 Klaviaturen arbeiten mechanisch, wie bei historischen Orgeln. Die mechanische Verbindung zwischen Tasten und den Luftventilen unter den Pfeifen ermöglicht dem Spieler die sensibelste Beeinflussung und Kontrolle der Tonansprache aller Pfeifen. Die Windladen sind klassische Schleifladen, einem System zur Verteilung des Windes auf jede einzelne Pfeife, das seit Mitte des 15. Jahrhunderts gebaut wird und auch heutzutage das bewährteste System ist.

Die mechanische Spielanlage der Orgel – Abstrakten (Zugdrähte), Wellen und Winkel – füllt den gesamten Unterbau der Orgel aus. Manche Abstrakten sind bis zu 5 Meter lang. Absolute Präzisionsarbeit unseres Konstrukteurs und der Orgelbautechniker ist nötig, damit alles präzise und leichtgängig funktioniert – immerhin muss man auch mit dem kleinen Finger die gesamte Mechanik in Bewegung setzen können. Viele Tausend Einzelteile sind hier eingebaut – wohlgeordnet und gegliedert.

6 Koppeln ermöglichen es, die Klaviaturen untereinander zu verbinden. Somit kann das Tutti aller Register auf dem I. Manual und Pedal vereint werden, es können aber auch ganz besondere Klangmischungen einzelner Register aus den verschiedenen Werken komponiert werden – wie Farben auf der Palette eines Malers. Eine 7. Koppel wirkt oktavversetzt nach oben. Mit ihr können die speziellen Klangfarben des Schwellwerks in der Oberoktave potenziert werden. Alle Koppeln wirken mechanisch.

Die Registertechnik ist elektrisch: Im Inneren der Orgel ziehen Elektromagneten die Registerzüge und Schleifen. Die Zugkraft wird dadurch geringer, aber vor allem ermöglicht dies, eine Setzeranlage einzubauen. Mit dieser können die Organisten beliebig viele Klangkombinationen vorbereiten, elektronisch abspeichern und mit den Knöpfen unter dem I. Manual oder den Fußtritten (Sequenzer) während des Spiels abrufen – jeder unter seinem eigenen Namen (passwortgeschützt) und mit den Werktiteln. Das erspart das umständliche Ziehen der Register während des Spiels. Ein Bedien-Tablet in der Schublade rechts im Spieltisch ermöglicht die Eingaben. Dieses System ist eine Entwicklung unserer Werkstatt mit der Hochschule für Technik in Mittweida (Prof. Christian Schulz).

Jiří Kocourek, Künstlerischer Berater Hermann Eule Orgelbau

 

Alle Bildrechte gehören Günter Widiger und

dem Hermann Eule Orgelbau.