Duisburg, CityPalais – Konzertorgel in der Mercatorhalle

NeubauDuisburg, CityPalais – Konzertorgel in der Mercatorhalle

Erbaut 2009, Hermann Eule Orgelbau - opus 661, IV + P/ 72 (davon 6 Extensionen + 6 Transmissionen) www.mercatorhalle.de

  • Duisburg
  • - 2009
  • Neubau

Gedanken zur neuen englischen Orgel in der Mercatorhalle Duisburg

Nun ist sie eingezogen, die Königin der Instrumente. 72 Klangfarben, verteilt auf 4 Manuale und ein Pedal, die wiederum mit 19 Koppeln vielfältig miteinander kombiniert und verbunden werden können, sowie 4.349 Pfeifen und 37 Stabglocken ergeben einen außergewöhnlich vielseitigen und reichhaltigen Klangapparat, der die Orgel der Duisburger Mercatorhalle zu einem außergewöhnlichen, ja bisher in Deutschland einzigartigen großen Konzertsaalinstrument macht.

Bereits am 8.6.2009 trafen die ersten Orgelteile in der Mercatorhalle ein. Zuvor waren die Orgelraumverkleidungen entfernt, Durchbrüche durch die Betonwand zum Balgraum geschaffen und der Orgelfußboden montiert worden, ein großes Montagegerüst entstand. Der zur Hälfte leer geräumte Saal diente als großes Orgelteilelager. Bis Ende Juli 2009 dauerte der technische Aufbau der Orgel. Danach gingen unsere vier Intonateure ans Werk. Register für Register wurde eingebaut und ihm seine endgültige Klangfarbe gegeben, immer in Anpassung an den Raumklang und Zusammenklang mit den übrigen Registern. Rund anderthalb Arbeitstage benötigte jedes Register von 2 Intonateuren, die wochenlang mehrschichtig arbeiteten, mehrmals unterbrochen von Veranstaltungen. Parallel erfolgte die Programmierung des elektronischen Spieltischs für die elektrischen Trakturen. Die letzte Arbeit war in der ersten Novemberwoche 2009 die Generalstimmung.

Auch Königinnen können regiert werden. Der fahrbare Spieltisch beinhaltet in einer übersichtlichen Anlage alles, was an der Orgel zum Klingen gebracht werden kann: 4 Manualklaviaturen mit je 61 und eine Pedalklaviatur mit 32 Tasten sowie 100 Registerwippen. Orgelbank und Spieltischoberteil sind höhenverstellbar, jeder Organist kann sie so an seine Körpermaße anpassen. Drei Balanciertritte beherrschen die Jalousiewände der drei Schwellkästen, die Walze ermöglicht das Nacheinanderschalten aller Register in einer dynamischen Abfolge vom leisesten pianissimo bis zum majestätisch-kraftvollen Tutti. Eine Setzeranlage ermöglicht es, 10.000 Registerkombinationen einzuspeichern und per Knopfdruck abzurufen. Gastorganisten können sie auf Chipkarte speichern. Die Verbindung vom Spieltisch zur Orgel erfolgt über ein BUS-System per Datenkabel. So kann der Spieltisch an verschiedenen Standorten aufgestellt werden.

Spezialitäten wie das Second-touch für das I. und II. Manual, Pizzicato-Bass im Pedal und der Schwellwerkskoppler verfeinern die spieltechnischen Möglichkeiten. Im I. und II. Manual des Spieltisches gibt es jeweils eine Second-touch-Funktion, die weitere Pfeifen erklingen lässt, wenn die Taste über einen Druckpunkt hinaus betätigt wird. Natürlich ist dafür eine zweite Tonerfassung nötig.

19 Kopplungen ermöglichen die Verbindung der 6 Teilwerke untereinander in großer Vielfalt, bis hin zum Tutti aller 72 Register. Doch englische Noblesse gehört auch hier zur Registrierkunst des Organisten: die großen Solozungenstimmen gehören nicht zum Tutti. Das Second Touch, das auf dem I. und dem II. Manual wirkt, ermöglicht es, über einen zweiten, tieferen Tastendruckpunkt zusätzliche Register und Koppeln zu schalten, mit denen man Akzentuierungen oder Melodiebetonungen erreichen kann. Das ist eine Technik, die aus der Kinoorgel herrührt und für einen geschickten Organisten eine große klangliche Bereicherung sein kann.

Entstanden ist ein Instrument, das englisch-symphonisch und zugleich eine neue Orgel ist. Wer konkrete englische Orgeln kennt, wird sicher Unterschiede feststellen, so wie sich auch englische Orgeln untereinander unterscheiden. Es war daher nicht das Ziel, eine konkrete Orgel zu kopieren, sondern eine neue Orgel zu schaffen, die sich speziell in die Akustik des großen Saales der Mercatorhalle einfügt. Genau dafür sind Disposition, Mensuren und Intonation geschaffen, dass die Orgel es vermag ein pianissimo zu spielen, das gerade noch hörbar ist, und ebenso ein Tutti, das prächtig und machtvoll, aber nicht erdrückend wirkt, und dazwischen einen lückenlosen dynamischen Klangaufbau und eine große Farbigkeit an Einzelklängen und Klangmischungen bietet. Zusätzlich ist es wichtig, dass die Klangproportionen zwischen den Registern und den Teilwerken sowohl die Begleit- und Solofähigkeit herstellen als auch die Mischungsfähigkeit. Nur so kann eine Orgel entstehen, die aus der raumangepassten Individualität  ihres Klanges und ihrer Technik ihre Einzigartig schöpft.

Für uns Orgelbauer gehen ein und ein dreiviertel Jahre intensive schöpferische Arbeit zu Ende. Es war für uns eine außerordentlich reizvolle Aufgabe, die uns viele Erfahrungen gebracht hat. Wir sind sehr dankbar, dass wir diese Orgel für die Mercatorhalle in Duisburg bauen durften und danken allen für das entgegengebrachte Vertrauen. Möge die Orgel immer diejenigen begeisterungsfähigen Organisten und Hörer finden, die sie stilgerecht zum Klingen bringen und für die kommenden Generationen bewahren.

Jiří Kocourek, Künstlerischer Berater Hermann Eule Orgelbau

 

Eule-Orgel Mercatorhalle Duisburg

 

I. Great C-c′′′′

Double Open Diapason 16′
Open Diapason I (large) 8′
Open Diapason II (medium) 8′
Open Diapason III (small) 8′
Hohl-Flute 8′
Octave 4′
Octave Flute 4′
Octave Quint 2 2/3′
Super Octave 2′
Mixture 5 rks. 2′
Grand Cornet 5 rks. 8′
Contra Posaune 16′
Tromba 8′
Clarion 4′

 

II.  Choir (enclosed) C-c′′′′

Contra Dulciana 16′
Geigen Diapason 8′
Dulciana 8′
Clarabella 8′
Cor de nuit 8′
Flauto traverso 4′
Flageolet 2′
Dulciana Mixture 3 rks. 2′
Clarinet 8′
Orchestral (enclosed)
Contra Viola 16′
Viole d’orchestre 8′
Violes celestes 8′
Viole octaviante 4′
Cornet de Violes 3 rks. 3 1/5′
Cor anglais 16′
Orchestral Oboe 8′
Carillon (c’-d’’’) 4′
Tremulant

 

III. Swell (enclosed) C-c′′′′

Lieblich Bourdon 16′
Open Diapason 8′
Keraulophon 8′
Lieblich Gedackt 8′
Salicional 8′
Voix angelica (c°) 8′
Principal 4′
Liebl. Flute 4′
Piccolo 2′
Mixture 5 rks. 2 2/3′
Contra Fagotto 16′
Cornopean 8′
Hautboy 8′
Clarion 4′
Tremulant

 

IV. Solo C-c′′′′

enclosed:
Harmonic Claribel 8′
Tibia clausa 8′
Concert Flute 4′
French Horn 8′
Vox humana 8′
Mercator Trumpet (Brass) 8′
Tremulant
unenclosed:
Tuba sonora 8’ 8′
(jedem Werk zuschaltbar!)

 

Pedal C-g′

Contra Violine 32′
Sub-Bourdon 32′
Open Metal 16′
Open Wood 16′
Violone 16′
Bourdon 16′
Dulciana 16′
Geigen 16′
Octave Diapason 8′
Principal 8′ (C-g° Ext. Open Metal 16′)
Octave Bourdon 8′ (Transm. Great, St. Diap.)
Violoncello 8′ (Transm. Choir, Dulciana)
Octave 4′ (C-g° Ext. Octave Diapason 8′)
Double Ophicleide 32′
Ophicleide 16′ (C-g° Ext. Double Ophicl. 32′)
Contra Posaune 16′ (Transm. Great, Contra Pos.)
Bassoon 16′ (Transm. Swell, Contra Fag.)
Posaune 8′
Clarion 4′ (C-g° Ext. Posaune 8′)

 

Koppeln (19):

  • IV/I, III/I, II/I
  • IV/II, III/II
  • IV/P, III/P, II/P, I/P
  • Orchestral Octave (II/II-4′)
  • Orchestral Suboctave (II/II-16′)
  • Swell Octave (III/III-4′)
  • Solo Suboctave (IV/IV-16′)
  • Orchestral on IV (Werkumlegung)
  • III/P Octave
  • IV/P Octave
  • (Koppeln wirken nicht auf Tuba)

Schweller:

  • SW II
  • SW III
  • SW IV
  • Schwelltrittkoppler

Zusatzeffekte:

  • Second Touch I. Manual
  • Second Touch II. Manual
  • Pizzicato-Bass Pedal

Registrierhilfen:

  • Setzeranlage (9.999 Kombin.)
  • Walze (4 Programme)

 

Die Konzertorgel

 

Die meisten Menschen assoziieren den Klang einer Orgel mit einem kirchlichen Instrument. Dabei ist weitgehend in Vergessenheit geraten, dass die Orgel ursprünglich einmal ein weltliches Instrument war. Sie erklang in den Zirkusarenen des alten Roms ebenso wie in den Palästen von Königen und Kaisern.

Im England des 19. Jahrhunderts erlebte die Orgel eine besondere Blütezeit als Konzertinstrument in Stadthallen und Konzertsälen. Bedeutende Virtuosen, wie etwa William Thomas Best und andere führten hier nachmittags populäre Orgelkonzerte auf, zu denen “bei niedrigstem Eintritt” breite Schichten aller Bevölkerungsgruppen strömten. Neben Programmmusiken wie etwa „Gewitterszenen“ erklangen vor allem Bearbeitungen großer Orchesterwerke für die Orgel, so z.B. Transkriptionen der Werke Richard Wagners. Die jährlichen „Promenade Concerts“ in der Londoner Royal Albert Hall etwa, bei denen auch immer wieder die große Orgel zum Einsatz kommt, stellen einen Nachklang dieser Tradition dar.

Mit Beginn des Stummfilmes um 1900 und bis zur Einführung des Tonfilmes nach 1920 erlebte die weltliche Konzertorgel nochmals einen Aufschwung. Ausgehend von England und den USA eroberte sich die „Kinoorgel“ („Theatre-Organ“) als Pfeifeninstrument den Kontinent; in nahezu jeder größeren Stadt befanden sich solche Instrumente in den Lichtspieltheatern und untermalten mit enormer Bandbreite von Dynamik und Klangfarben die Stummfilme. Obgleich in den vergangenen Jahrzehnten in Europa verschiedene Orgeln in Konzertsälen gebaut wurden, unterlagen nicht wenige von ihnen nach ihrer festlichen Einweihung einem anhaltenden „Dornröschenschlaf“. Grund dafür ist unter anderen, dass sich einige dieser Instrumente kaum von Kirchenorgeln unterscheiden. Und diese sind in einem Konzertsaal völlig fehl am Platze. Die Aufgabenstellung, für die Mercator-Philharmonie im CityPalais Duisburg eine englische Konzertorgel in der spätromantischen Tradition des 19. und frühen 20. Jahrhunderts konsequent durchzuplanen, war daher eine rühmliche Ausnahme und hat uns Orgelbauer von Anfang an fasziniert. Ungewöhnlich und anregend war auch der Vorschlag der Stadt Duisburg als Auftraggeberin, in das neue Instrument technische und klangliche Schnittstellen einzubringen, die eine Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Musik im sogenannten U-und E-Bereich fördern können. Als Klangvorbild waren die Konzertsaalinstrumente in Kinnaird Hall/Dundee (Harrison & Harrison 1923) und Usher Hall/Edingburgh (Norman & Beard 1913) genannt worden.

Für die Gestaltung von Orgeln nach bestimmten Klangvorbildern gibt es mehrere Möglichkeiten: Zum einen die akribische Kopie. Hier läuft der Orgelbauer jedoch in Gefahr, ein Instrument mit originärem Klang in eine fremde und möglicherweise nicht passende Umgebung zu transportieren. Ungleich wichtiger ist es, die gewünschte Bauweise konstruktiv und klanglich so intensiv wie möglich zu erfassen, zu begreifen und schließlich anzuwenden. Da Orgeln stets individuell gestaltete Musikinstrumente mit intensivem Raumbezug sind, lässt sich nur auf diese Weise ein Klangstil entsprechend adaptieren.

Grundlegender Unterschied zwischen traditioneller Kirchenorgel und spätromantischer Konzertorgel sind in erster Linie die meist gänzlich anderen akustischen Voraussetzungen. Muss die Kirchenorgel von der Empore aus in der Regel den Raum linear-axial durchdringen, so ist bei der Konzertorgel meist eine flächigere und mehrdimensionale Klangausbreitung erforderlich. Dies schlägt sich in der unterschiedlichen Gewichtung der Klangressourcen nieder: So treten etwa archetypische, konsequent durchgeführte Principalchöre mit ihren (in Konzertsälen meist weniger mischfähigen) Mixturen ebenso wie das „Werkprinzip“ zugunsten gleitender, dynamischer Übergänge der Register und Registergruppen untereinander zurück. Mischfähige Flöten und Streicher bieten zusammen mit Zungenregistern unterschiedlichster Bauweisen eine infonische Klanggebung, die auch nahtlos mit Chören und Orchestern verschmelzen sollte. Die Orgel sollte sich nicht hart gegen den Raum absetzen, sondern, wie Albert Schweitzer es einmal ausdrückte, in den „Raum fluten“. Alle diese Eigenschaften einer englischen Konzertorgel um 1900 wurden in unserer Konzeption berücksichtigt, bis hin zur Tuba sonora 8′auf hohem Wind, die sich gegen das Hauptwerkstutti deutlich absetzt. Die ursprüngliche Idee, in das Instrument noch ein Zusatzwerk im Stile einer „Theatre Organ“ zu integrieren, konnte aus räumlichen Gründen nicht verwirklicht werden; die Register Tibia clausa 8′(als grundtönige Flöte) und Vox humana  8′ (Menschenstimme) wurden jedoch aus dieser Tradition eingebracht. Auch das Pedal mit drei 32′- Stimmen und neun eigenen und transmittierten 16′- Registern entspricht dem typischen Charakter der großen „Town-Hall-Organs“.

Eine „englische“ Orgel in Duisburg. Ganz so ungewöhnlich ist diese Vorstellung nicht. Ein heute intensiv gepflegter, kultureller Austausch lässt Europa zusammenwachsen und das ist gut so. Darüber hinaus darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der englische Orgelbau, trotz seines „Insel-Daseins“ in der Vergangenheit, immer wieder vom Kontinent beeinflusst wurde. So brachten etwa „Father“ Bernhard Smith aus Deutschland und der Schweizer John Snetzler im 17. und 18. Jahrhundert wesentliche Impulse mit, während besonders der Thüringer Johann Friedrich Schulze nach 1850 den romantischen Orgelbau in England spürbar prägte. Ähnlich in der Orgelmusik: Komponisten wie Charles Villiers Stanford studierten in Deutschland und Mendelssohns mehrfache Besuche in England führten zum Ausbau der Pedalwerke, die zuvor nicht oder nur mit wenigen Basstönen vorhanden waren. Von England aus kamen wiederum wichtige technische Neuerungen auf den Kontinent, wie etwa der parallel aufgehende Blasbalg und das Schwellwerk. In der Tradition solcher wechselseitigen Impulse steht auch die neue Orgel in der Mercator-Philharmonie und kann damit ein Zeichen einer gewachsenen, europäischen Kultur sein. Einer Kultur mit durchaus selbständigen Traditionen, jedoch ohne innere und äußere Grenzen. Möge das neue Instrument in diesem Sinne freudig und häufig erklingen, ohne in einen “Dornröschenschlaf“ zu versinken.

Burkhart Goethe

Einige technische und klangliche Finessen

 

Im I. und II. Manual des Spieltisches gibt es jeweils eine Second-touch-Funktion, die weitere Pfeifen erklingen lässt, wenn die Taste über einen Druckpunkt hinaus betätigt wird. Natürlich ist dafür eine zweite Tonerfassung nötig.

Im Pedal können einige Register auf eine Pizzicato-Funktion geschaltet werden. Dabei erklingen die Töne nur kurz, wie beim Anzupfen eines Kontrabasses, auch wenn die Taste länger gedrückt wird. In der Software werden dazu entsprechend der Pfeifengröße Zeiten zwischen 0,15 und 0,3 Sekunden erzeugt, angepasst an das Ansprechen des jeweiligen Tones. Die drei Schweller lassen sich synchron von einem Fußtritt aus ansteuern, so dass die Wirkung besonders eindrucksvoll wird. Last but not least: Das letzte Register mit der Nummer 99 heißt „Vox strigis“, zu Deutsch „Eulenstimme“. Beim Betätigen erscheint im Orgelprospekt eine Eule, die ihren Ruf erklingen lässt und dann in den Saal schaut. Die Software sorgt dafür, dass sie nach genau 7,5 Sekunden wieder verschwindet, auch dabei ertönt noch einmal leise der Ruf.

Technik

 

Die neue Orgel der Duisburger Mercatorhalle hat eine elektrische Ton- und Registertraktur mit vielen technischen Finessen. Dabei wurde das Konzept eines verteilten Elektroniksystems konsequent umgesetzt, auf dem die „Orgelelektronik System Eule“ basiert. Das System entstand in Zusammenarbeit der Firma Eule mit der Fakultät Informationstechnik und Elektrotechnik der Hochschule Mittweida und wurde 2008/09 erstmalig an der Ladegast-Jehmlich-Orgel der Mittweidaer Stadtkirche eingesetzt. Die Technik des verteilten, vernetzten Systems ist in vielen Bereichen heute üblich, so bei der Elektronik im Kraftfahrzeug. Dort finden wir etwa 30 bis 50 Mikrocontroller-Knoten mit den verschiedensten Funktionen, die über einen CAN-Bus miteinander vernetzt sind (CAN=Controller Area Network).

Das Grundprinzip der Orgelelektronik ist folgendes: Im Spieltisch werden alle Manual- und Pedaltasten sowie die Wippen und Taster für Register, Koppeln, Tremulanten, Setzer und Sonderfunktionen elektronisch erfasst. Sie ergeben das sogenannte Eingangsabbild. Zwei Mikrocontroller berechnen daraus die Töne, Register und weitere Informationen für das Ausgangsabbild des Spieltisches, das an die Orgel geschickt wird. Bei den Tönen müssen insbesondere die Koppeln verrechnet werden, bei den Registern die Setzer und die Crescendo-Walze.

In der Orgel befinden sich direkt an jeder Windlade Magnetansteuerungen, die alle über den CAN-Bus untereinander und mit dem Spieltisch verbunden sind. Die Mikrocontroller der Magnetansteuerungen filtern aus dem Ausgangsabbild die Datenbits heraus, die für „ihre“ Windlade gedacht sind – die Zuordnung kann sehr einfach eingestellt werden. Damit werden die richtigen Tonmagnete betätigt und die richtigen Registerschleifen gezogen – die Pfeifen können erklingen. Außerdem gibt es eine Ansteuerung für die Tremulanten und für die Schweller, die Werte werden ebenfalls über den CAN-Bus übertragen.

Zu einigen technischen Details:
Im Spieltisch sind etwa 75 Leiterplatten unterschiedlicher Größe für die Erfassung der 398 Manual- und Pedaltasten eingebaut, weitere 30 Leiterplatten für die 153 Register- und Setzertasten sowie Tritte und Anzeigen sowie etwa 10 Leiterplatten für die beiden Controller, Schweller, Walze und Chipkartenleser. In der Orgel gibt es ca. 70 Mikrocontroller-Leiterplatten in den Magnetansteuerungen für die etwa 1.500 Magnete, für die Tremulanten- und Schwelleransteuerung und für die Ferneinschaltung, verbunden über ein entsprechendes CAN-Netzwerk. Insgesamt ist damit in der Orgel ein verteiltes System aus fast 200 Leiterplatten am Werk.

Die Datentelegramme werden im Spieltisch durch ein sogenanntes Gateway vom CAN auf das von PC-Netzwerken her bekannte Ethernet umgesetzt, da im Großen Saal der Mercatorhalle Ethernet-Kabel und -dosen verlegt sind. Der Spieltisch kann an allen entsprechend ausgestatteten Anschaltpunkten im Saal angeschlossen werden, die Entfernung zur Orgel spielt dabei keine Rolle. In der Orgel setzt ein zweites Gateway die Daten wieder auf den CAN-Bus um, der hier eine Ausdehnung von über 100 m hat. Dieses Gateway arbeitet übrigens als Server und kann über ein TCP/IP Protokoll angesprochen werden. Das bedeutet, dass die Orgel prinzipiell über das Internet von jedem PC aus gespielt werden könnte. Aus naheliegenden Gründen wurde darauf verzichtet, den entsprechenden Anschluss herzustellen…

Prof. Dr. – Ing. Christian Schulz
Mittweida

 

Alle Bildrechte gehören

dem Hermann Eule Orgelbau.